Kaleidoskop Wortwechsel
WORTWECHSEL

Neuer Schwung für den Immobilienmarkt

Die Bautätigkeit in Bayern ist weiterhin alarmierend gering: Im ersten Halbjahr 2024 lagen die Wohnungsbaugenehmigungen 16 Prozent unter dem Vorjahreswert – auch, weil die Preise für Bauleistungen deutlich gestiegen sind. Welche Maßnahmen jetzt getroffen werden müssen, um Bauen im Freistaat attraktiver zu machen, haben wir bei einem Treffen mit dem Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) diskutiert.

HÜRDEN UND HEMMNISSE BEIM WOHNUNGSBAU

Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender: Seit der Coronapandemie sind gestiegene Energie- und Arbeitskosten massive Preistreiber im Bau. Weil die Bautätigkeit eingebrochen ist, steigen die Angebotsmieten weiter an. Auch die Immobilienpreise ziehen wieder an. Beide Entwicklungen sind besorgniserregend. Genau deshalb ist uns der Aus- tausch mit der Bau- und Immobilienwirtschaft so wichtig, um gemein- sam mit unseren Experten Lösungen auf den Weg zu bringen, die den Immobilienmarkt wieder in Schwung bringen.

Martin Behringer, baupolitischer Sprecher: Außerdem wollen wir geplante Gesetzesinitiativen mit den Betroffenen diskutieren – wie aktuell das Erste Modernisierungsgesetz des Freistaats, mit dem wir das Bauen in vielen Bereichen vereinfachen und dadurch kostengünstiger gestalten wollen.

Prof. Dr. Matthias Ottmann, Geschäftsführer Urban Progress GmbH: Für uns wäre auch wichtig zu wissen, wie der aktuelle Stand beim Gebäudetyp E ist. Wenn die Bauwirtschaft künftig einfacher, günstiger und schneller bauen dürfte, wäre das eine große Erleichterung, von der auch Käufer und Mieter profitieren würden.

Martin Behringer: Das sehen wir auch so. Deshalb stehen wir der geplanten Bundesinitiative für die Änderungen im Bauvertragsrecht positiv gegenüber.

Florian Streibl: Wir wollen Bauen zudem durch einen Abbau von Bürokratie erleichtern. Im Landtag haben wir dazu vor wenigen Monaten die Enquete-Kommission „Bürokratieabbau“ eingerichtet. Denn auch die umfangreichen und teils langwierigen Genehmigungsverfahren sind echte Kostentreiber.

Andreas Eisele, Präsident BFW Landesverband Bayern e.V.: Das würden wir sehr begrüßen. Man darf nicht vergessen, dass die extrem umfangreichen DIN-Normen von einem privatrechtlichen Verein gemacht werden.

Martin Behringer: Wir wissen, wo bei den Bauträgern der Schuh drückt. Deshalb gehen wir derzeit peu à peu die Bauvorschriften durch, um zu schauen, was wir vereinfachen können. Nehmen wir die Deckenstärke: Statt „Standard Plus“ muss „Standard“ ausreichen. Aber es braucht Mut, um zu vereinfachen. 
 

„Auch die Fördermittelvergabe gehört auf den Prüfstand. In aller Regel profitiert die BayernHeim als staatliche Institution, private Unternehmen fallen hinten runter.“

Peter Hülsen, Geschäftsführer BFW Landesverband Bayern e.V

MITTEL UND GRENZEN STAATLICHER FÖRDERUNG

Thomas Weingartner, Niederlassungsleiter Bayerische Hausbau Development und Vizepräsident BFW Landesverband Bayern e.V.: Es gibt aber noch andere Stellschrauben, an denen die Politik drehen sollte. Ein weiteres Problem sind die leeren Fördertöpfe gepaart mit hohen Bodenpreisen insbesondere in München.

Florian Streibl: Wir sind uns des Dilemmas bewusst, allerdings ist Geld endlich und wir müssen uns mit Blick auf die jüngste Steuerschätzung leider darauf einstellen, dass die Spielräume auch 2025 sehr klein bleiben werden. Regierungsverantwortung bedeutet eben auch, keine unhaltbaren Versprechungen zu machen.

Peter Hülsen, Geschäftsführer BFW Landesverband Bayern e.V.: Auch die Fördermittelvergabe gehört auf den Prüfstand. In aller Regel profitiert die BayernHeim als staatliche Institution, private Unternehmen fallen hinten runter.

Martin Behringer: Okay, das schauen wir uns genauer an. Entscheidend für uns ist der effiziente Mitteleinsatz. Gerade deshalb sind wir ja auch dran am Thema „Stellplätze“. Für den geförderten Wohnungsbau werden wir die Stellplatzzahl auf niedrigem Niveau deckeln, um mit jedem Fördereuro die größtmögliche Quadratmeterzahl an Wohnraum herauszuholen.

Thomas Gerl, Vorstandsmitglied BFW Landesverband Bayern e.V.: Gerade in Zeiten sinkender Steuereinnahmen sollte der Staat ein besonderes Augenmerk auf die Förderung des Wohnbaus legen. Schließlich generiert der Wohnungsbau hohe Steuereinnahmen – sei es in Form von Umsatzsteuer oder von Gewerbesteuer. Ein Rückgang des Bauvolumens sorgt indes zwangsläufig für weitere Steuermindereinnahmen.

Tobias Beck: Mehr Investitionen sind aber aktuell nur möglich, wenn man die Schuldenbremse infrage stellt. 

PROBLEME MIT BÜROKRATIE UND VERWALTUNG

Dr. Marian Dietzel, Geschäftsführer DOMINO Bau- und Handels GmbH: Wir sind derzeit bemüht, ein gewerbliches Bestandsgebäude in München umzuwandeln und aufzustocken. 70 teils sozial gebundene Wohnungen sollen entstehen. Und wir machen einmal mehr die Erfahrung: Die Vorgaben der Bayerischen Bauordnung erschweren das Bauen im Bestand. Das betrifft Stellplätze und Kinderspielplätze und vieles mehr. Die Stadt München ist durchaus gewillt, uns bei dem Vorhaben zu unterstützen, aber ihr sind rechtlich die Hände gebunden.

Martin Behringer: Wir werden bei einer Anhörung das Bauen im Bestand diskutieren. Aber gerade die Vorgaben zu Abstandsflä­ chen oder Spielplätzen werden künftig mit dem Ersten Modernisierungsgesetz geregelt. Außerdem hat die Landeshauptstadt München durchaus Spielräume – man muss sie halt auch nutzen.

Peter Hülsen: Das hat auch strukturelle Ursachen. Verwaltungsbeschäftigte wollen keine Verantwortung mehr übernehmen, wenn sie persönlich in die Haftung genommen werden können. Außerdem sind die Verdienstmöglichkeiten im öffentlichen Dienst gering. Die Folge sind zu viele unbesetzte Stellen und wenig „Mentoren“ in den Verwaltungen.

Alexander Hold, Landtagsvizepräsident: Man kann die Verunsicherung der Verwaltungsmitarbeiter schon verstehen. Die Folge ist aber eine „Überregulierung“ durch die Exekutive und normsetzende Organisationen. Wir sind uns aber des Problems bewusst und werden das Thema mit dem Zweiten Modernisierungsgesetz angehen.

Martin Behringer: Das Beamtenrecht wird nachjustiert, um Entscheidungsfreude, Pragmatismus und Lösungsorientierung zu fördern. Es ist aber noch ein langer Weg zu gehen. 
 

Wohnbauförderung und Bürokratieabbau:

Über diese und weitere Themen haben unsere Abgeordneten bei einem Parlamentarischen Frühstück mit dem BFW im Bayerischen Landtag gesprochen. Denn die Bautätigkeit ist nach wie vor sehr gering: Von Januar bis September 2024 lagen die Wohnungsbaugenehmigungen nochmals 15 Prozent unter dem Vorjahreswert.

CHANCEN DER DIGITALISIERUNG

Andreas Eisele: Wenn wir schon beim Thema Verwaltung sind: Auch die Digitalisierung ist in vielen Bereichen noch nicht ausgereift. Um ein Beispiel aus der Praxis zu nennen: Bauherren reichen mit dem digitalen Bauantrag gescannte Pläne ein. Die Verwaltung druckt diese Pläne wiederum für die Bearbeitung aus. Am Ende sind die Pläne kaum noch lesbar und die Planeinreicher sehen sich mit Rückfragen konfrontiert. Das macht einfach keinen professionellen Eindruck. Da sollte eine Industrienation wie Deutschland weiter sein.

Martin Behringer: Das stimmt, die Digitalisierung muss vorankommen. Was wir uns zum Beispiel gut vorstellen können, ist, dass die Vollständigkeit der Unterlagen künftig durch eine KI geprüft wird. Ich bin hierzu im Gespräch mit unserem Digitalminister Dr. Fabian Mehring.

Tobias Beck: KI wird Lösungen schaffen, aber eher auf lange Sicht. Die Mitarbeiter in den Behörden müssen deshalb noch mehr geschult und für digitale Anwendungen begeistert werden.

Florian Streibl: Wir bedanken uns für den guten und konstruktiven Austausch! 

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