1. Herr Professor Dr. Bauer, Sie sind Pflegebeauftragter der Staatsregierung und pflegepolitischer Sprecher der Fraktion. Was ist Ihr Eindruck: Wie sehr belastet der Pflegenotstand jeden einzelnen, der in der Pflege tätig ist?
Die Situation ist wirklich dramatisch, man kann das gar nicht oft genug betonen. In Bayern fehlen schon heute Zehntausende Fachkräfte in der Pflege – und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird sich dieser alarmierende Trend weiter verschärfen. Wir müssen deshalb alle verfügbaren Instrumente einsetzen, um den Fachkräftemangel in der Pflege zu beseitigen.
2. Wie soll das gelingen?
Wir wollen mehr Pflegekräfte für eine Vollzeittätigkeit gewinnen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden – etwa durch die Einführung von Pflege-Springerpools, eine verlässliche Dienstplangestaltung und eine bessere Bezahlung. Als FREIE WÄHLER-Fraktion fordern wir 4000 Euro Grundgehalt. Bislang führen vor allem die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Pflegeberuf, die geforderte Flexibilität dazu, dass Pflegekräfte vermehrt in Teilzeit arbeiten. Das allein reicht aber nicht: Wir müssen gesamtgesellschaftlichen Konsens erreichen, um den Pflegeberuf zu stärken.
„Die Situation ist wirklich dramatisch, man kann das gar nicht oft genug betonen.“
3. Warum ist das so wichtig?
Sowohl professionell Pflegende als auch pflegende Angehörige sind tagtäglich erheblichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Sie arbeiten in einem schnell getakteten, hochkomplexen sowie dynamischen Umfeld. Zu den speziellen Belastungen zählen die hohe Verantwortung für das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten, der immense Zeitdruck, Stationswechsel und Schichtarbeit und insbesondere der Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden. Auch der emotional fordernde Kontakt mit Angehörigen belastet.
4. Wie könnte Gesundheitsprävention speziell für die Pflege denn aussehen?
Nötig sind Maßnahmen zur Verstärkung des Bewegungsangebots, zum Teambuilding, um die Arbeitsatmosphäre zu verbessern, aber auch zu Ernährungsfragen und psychosozialer Gesundheit. Nur so können wir langfristig sicherstellen, dass ausreichend Pflegekräfte bereitstehen, die sich fürsorgend um die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten kümmern. Auch das Thema Supervision, also die engmaschige Begleitung durch Spezialisten, müssen wir miteinbeziehen.
5. Gibt es weitere Pläne?
Ja, wir müssen viel stärker als bislang auf junge Menschen zugehen, um ihr Interesse am Pflegeberuf zu wecken. Gerade angesichts der extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit in den europä- ischen Nachbarländern wie Spanien oder Griechenland sehen wir eine echte Chance, durch entsprechende Anwerbungskampagnen Menschen für eine Ausbildung in der Pflege in Deutschland zu begeistern und sie mit der Perspektive auf einen dauerhaften, sinnstiftenden und sicheren Arbeitsplatz langfristig in Deutschland zu halten.