SCHULTERBLICK EDITORIAL
EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

1949 wurde als Reaktion auf Staatsterror und Genozid des Nationalsozialismus das Grundgesetz verabschiedet. Mit der aus dem Horror der Vorjahre erwachsenen Verantwortung für ein „Nie wieder” war es darauf ausgelegt, eine erneute Selbstabschaffung der Demokratie und die Aushöhlung von Grund- und Freiheitsrechten zu verhindern. Doch auch wenn Grundgesetz und Demokratie einander bedingen, so gibt es weder für das eine noch das andere eine Ewigkeitsgarantie.

Im Gegenteil: Wer glaubt, bei der Demokratie handelt es sich um ein System, das lediglich Mehrheiten feststellt, die letztlich das Schicksal von Gemeinschaften bestimmen, der irrt. Derjenige darf sich nicht wundern, wenn er eines Tages in einem totalitären Staat aufwacht. Denn die Geschichte zeigt uns, dass Mehrheitsentscheidungen allein noch keine gute Regierung machen. Alle totalitären Machthaber dieser Welt wurden von Mehrheiten in ihr Amt gebracht.

Ich wünsche Ihnen wieder viel Freude beim Lesen!
Herzlichst, Ihr

Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender

Die westliche, freiheitliche Demokratie ist eben mehr als ein Zählsystem zur Macht. Sie ist geprägt von einem ganz spezifischen Menschenbild, das sich aus Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit speist. Im Zentrum steht der Mensch, dessen Würde unantastbar ist, der als Person an sich respektiert und geachtet werden muss und der den bedingungslosen Schutz des Staates genießt. Anders im totalitären Staat, dessen Wesensmerkmal es ist, dass er eben diese Würde des Menschen antastet und zu vernichten trachtet, um den Menschen nach seinem Bild zu kreieren.

Demokratie ist mehr als ein Ordnungssystem. Sinn der Demokratie ist Freiheit. Aufgabe des Staates ist, diese Freiheit zu garantieren. Und Freiheit selbst ist letztlich die Möglichkeit des Menschen, durch seine Handlungen gute Prozesse in Gang zu setzen und so die Welt zu gestalten und zu verändern. Diese Freiheit des Handelns ist die wahre Stärke der Demokratie.

Leider scheint es, als seien wir in unserem Land demokratiemüde geworden. Das ist fatal, denn es gibt zwei erbarmungslose historische Wahrheiten: 1. Alles, was erreicht wurde, kann wieder verloren werden. 2. Alles hat seinen Preis.

Gerade deshalb braucht Demokratie mutige Menschen, die mit Leidenschaft und der Liebe zur Republik die Freiheit und Gleichheit der Menschen verteidigen und gegen alle dumpfen Parolen bekennen, dass „die Würde des Menschen unantastbar ist“. Denn die Demokratie ist keine Urkunde, die man im Regal verstauben lässt und vergisst. Demokratie muss jeden neuen Tag von uns allen gelebt und wertgeschätzt werden. Ansonsten werden wir sie verlieren. In Zeiten des Umbruchs brauchen wir eine tiefgreifende demokratische Revolution in unseren Herzen, wir brauchen den Willen zur Demokratie. Davon handelt diese Ausgabe.

Das könnte Sie auch interessieren: