SCHWERPUNKT 75 Jahre Grundgesetz

So kontern sie rechtspopulistische Parolen

Demokratie lebt nicht nur von den wichtigen Artikeln in unserem Grundgesetz, sondern auch von einer starken Zivilgesellschaft. Es braucht jeden und jede Einzelne, um die Grundwerte unserer Demokratie zu leben, zu beschützen und zu verteidigen – auch gegen diejenigen, die sie von innen zu untergraben versuchen.

„In Deutschland schreitet die Islamisierung voran.“

Fakt ist: Eine „Islamisierung“ ist statistisch nicht belegbar. Hochrechnungen legen nahe, dass weniger als sieben Prozent der Menschen in Deutschland ­Muslime sind. Die „Islamisierung“ würde außerdem bedeuten, dass die ­Menschen zur Ausübung einer Religion, der sie nicht angehören, gezwungen wären – das ist in Deutschland nicht der Fall. Vielmehr baut das Narrativ der ­„Islamisierung“ auf einem rassistischen Verständnis der Welt auf, in der ­Menschen verschiedener Kulturen nicht miteinander vermischt werden sollen. Diese Ablehnung alles Fremden blendet aber aus, dass kultureller Austausch
auf beiden Seiten auch eine Bereicherung bieten kann.

„Wir sollten uns nicht mehr schuldig fühlen für das, was damals passiert ist.“

Fakt ist: Es geht überhaupt nicht um Schuld. Es geht um Verantwortung. Deutschland hat während des NS-Regimes viele Millionen Menschen grausam ermordet. Wir müssen als gesamte Gesellschaft Verantwortung für die deutsche Vergangenheit übernehmen und gemeinsam dafür Sorge tragen, dass solche Gräueltaten, wie sie sich im nationalsozialistischen Regime millionenfach ereignet haben, nie wieder passieren. Statt einen „Schlussstrich“ zu ziehen, muss die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte weitergehen. Denn gerade in den Generationen der Nachgeborenen darf der Maßstab für das Unrecht des Krieges und die Gräuel des Nationalsozialismus nicht verlorengehen.

„Die Medien sind staatlich gesteuert und verbreiten die Unwahrheit, um die Bevölkerung zu täuschen.“

Fakt ist: In Deutschland ist die Pressefreiheit im Grundgesetz geschützt, das heißt Journalisten entscheiden frei und unabhängig, was in die ­Öffentlichkeit gelangt. Der Vorwurf, die Zeitungen und Rundfunkanstalten in Deutschland seien „Systemmedien“ und Teil der „Lügenpresse“, ist daher absurd, aber nicht neu: Schon Hitlers ­Propagandaminister Joseph Goebbels diffamierte der Nazi-Ideologie entgegenstehende Zeitungen als „vom Weltjudentum gesteuerte Lügenpresse“. Auch im DDR-Fernsehen wetterten Moderatoren gegen die „kapitalistische Lügenpresse“ der Bundesrepublik – ein beliebter Generalvorwurf also, mit dem ein klassisches Freund-Feind-Schema bedient wird. An eine gleichgeschaltete „Staatspresse“ glauben nämlich vor allem die, die ihre Ansichten in den Medien nicht repräsentiert sehen. Wenn die „Mainstream-Medien“ ein vielfältiges, buntes Deutschland als normal präsentieren, kommt das rechtspopulistische Weltbild schnell an seine Grenzen.

„Den Politikern da oben geht es doch nur um die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen.“

Fakt ist: Meist haben Politiker gute Gründe für ihr Handeln. Ihren Entscheidungen sind in aller Regel viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Interessensgruppen und Experten vorangegangen und sie wissen um die Wichtigkeit eines konsensfähigen Kompromisses. Zudem wurden Mandatsträger von einer Mehrheit in ihre Ämter gewählt – und ihre Wiederwahl hängt unmittelbar damit zusammen, wie gut sie die Interessen der Bevölkerung in den jeweiligen Gremien vertreten. Außerdem versuchen viele Politiker, ihre Arbeit sehr transparent und nachvollziehbar darzustellen und erklären im persönlichen Gespräch auch gerne genau, was und warum sie es machen.

 

 

Ein paar grundsätzliche Spielregeln können ebenfalls helfen, eine hochemotionale Diskussion zu versachlichen – oder im richtigen Moment abzubrechen:

Einen kühlen Kopf bewahren

Ein kühler Kopf ist äußerst wichtig bei schwierigen Gesprächen und hilft, eine Diskussion auf einem sachlichen Niveau zu halten. Die Gedanken und Gefühle des Gegenübers als abstrus oder schlicht falsch abzutun, ist nicht zielführend – im Gegenteil. Ablehnung führt eher dazu, dass sich das Gegenüber angestachelt fühlt, die eigene Meinung umso vehementer vorzutragen; die Diskussion schaukelt sich hoch. Im Zweifelsfall macht man sich dabei auch selbst angreifbar, wenn man unfair, beleidigend oder unter der Gürtellinie kontert.

Sie sehen: Demokratie braucht mutige Menschen, die sich zu ­unseren demokratischen Werten bekennen, sie leben und verteidigen Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie sind keine historischen Geschenkartikel. Seien Sie deshalb mutig, seien Sie Demokrat!

Nachfragen und hinterfragen

Auch wenn es schwerfällt: Wer sein Gegenüber ernst nimmt, es ausreden lässt und nachhakt, vermeidet ein vorschnelles Abbrechen der Diskussion – zum Beispiel so: „Was meinst du damit?“ oder „Denkst du wirklich, dass über 60 Millionen ­Menschen zum Spaß flüchten?“

Daten und Fakten einfordern

Es ist eine gängige Strategie von Rechtspopulisten, ihr Gegenüber mit Zahlen, Daten und Fakten zu verunsichern. Doch woher stammen diese Informationen überhaupt? Sind sie sauber recherchiert, aus dem Zusammenhang gegriffen, veraltet oder unvollständig? Mit konkreten Nachfragen wie etwa „Kannst du mir deine Quelle nennen?“ oder „Wo finde ich den Artikel, den du angesprochen hast?“ können vermeintlich objektive Beweise als populistische Verkürzungen entlarvt werden.

Statt kontern: Thema wechseln

Wenn einem dann doch die Argumente ausgehen oder das Gespräch zu anstrengend wird, kann man auch leicht das Thema wechseln. Dazu greift man ein beliebiges Wort aus dem Gesagten auf und stellt es in einen anderen Zusammenhang. Das kann ein eigenes Erlebnis, eine persönliche Anekdote oder etwas Zwangloses sein. So geht man auf den Gesprächspartner ein, ohne die gestellte Frage zu beantworten oder das Gesagte zu kommentieren.

Grenzen setzen

Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind. Wer einfach nur ein entspanntes Abendessen genießen möchte, sollte genau das auch einfordern – vielleicht verbunden mit dem Vorschlag, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen. Auch ein aktives Nichtteilnehmen an verletzenden oder diskriminierenden Gesprächen und Unterhaltungen zeigt, dass man das Gesagte nicht goutiert. Zudem gilt: Mit einer Person, die im Gespräch offen rassistisch, sexistisch oder anderweitig menschenfeindlich wird, muss man nicht diskutieren, denn die Grenzen des Sagbaren sind bereits erreicht.

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