Es war eine Rechtsstreitigkeit, die sich über Jahre hinzog und diverse Gerichte beschäftigte: Ein Ehepaar hatte sich durch alle Instanzen geklagt, weil es sich durch das Geräusch von Kuhglocken in seiner Nachtruhe gestört fühlte und eine Pause vom Gebimmel zwischen 22 und 6 Uhr erwirken wollte. Das Ansinnen stieß beim Anwalt der beklagten Grundstückseigentümerin allerdings auf wenig Verständnis: In seiner Klageerwiderung verwies er darauf, dass es Kühe und Glockengeläut in dem Dorf schließlich schon immer gegeben habe .
In der Tat gibt es viele ortsübliche und identitätsstiftende Gerüche und Geräusche, die zur Kultur und Identität spezifischer Regionen in Deutschland zählen – davon sind auch wir als FREIE WÄHLER-Fraktion überzeugt. Zu unserem bayerischen Selbstverständnis gehören etwa der Klang von Kirchturmglocken oder der Duft
von frisch gebackenem Brot. Doch gerade weil in den vergangenen Jahren Konflikte zwischen Handwerks- und Landwirtschaftsbetrieben, die seit jeher ortstypische Gerüche und Geräusche produzieren, und neu zugezogenen Anwohnern, die sich daran stören, zugenommen haben, sehen wir akuten Handlungsbedarf.
Konkret wollen wir deshalb das bedrohte Kulturgut „Sinneserbe“ schützen, ebenso wie Frankreich es bereits seit Ende Januar 2021 per Gesetz tut. Dort obliegt es den einzelnen Regionen, welche konkreten Geräusche und Gerüche geschützt werden, um den jeweiligen Besonderheiten vor Ort Rechnung zu tragen. Dem französischen Vorbild folgend haben wir vorgeschlagen, eine bayerische Bundesratsinitiative zu starten, mittels derer die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnungen bestimmte Geräusche und Gerüche festzulegen, die in bestimmten Regionen für die traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise typisch sind und dort nicht als erhebliche Nachteile oder massive Belästigungen gelten.
Das Bayerische Kabinett hat unserer entsprechenden Bundesratsinitiative zugestimmt: Sie wurde im Bundesrat eingereicht. Ziel der Initiative ist, dass im Bundesimmissionsschutzgesetz die für das Landleben typischen und identitätsstiftenden Gerüche und Geräusche in Bayern und Deutschland unter besonderen Schutz gestellt werden. Eine Entscheidung des Bundesrats steht derweil noch aus.