Kaleidoskop WORTWECHSEL
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„Es gibt einen Kampf um den Rohstoff Milch“

Milchquote als Kostentreiber

Groß: Die Milchquote hat unsere heimischen Milchviehhalter, die ihre Betriebe entwickeln sollten, stark eingeschränkt und erhebliche Kosten verursacht. Die gewünschte Preiswirkung wurde praktisch nie erreicht. Wie sieht die Marktsituation aktuell – ohne Quote – aus? 

Seufferlein: Der Milchmarkt dürfte auch in 2025 relativ stabil bleiben. Es gibt heute keinen Mengendruck mehr. Früher kamen Druckfaktoren auch aus Regionen wie Ozeanien und Südamerika, aber auch in der EU aus Benelux, Dänemark und Irland. Fünfzig Jahre lang hat sich die Milchmenge stetig erhöht, aber jetzt ist wohl das Ende der Fahnenstange erreicht – zum Glück.

Groß: Die Landwirte haben heute andere Problemstellungen zu bewältigen. 

Seufferlein: Ja, heute wird der Milchmarkt nicht mehr ganz so stark diskutiert, weil Milchpreise von unter 40 Cent in Bayern Gottseidank kein Thema mehr sind. Heute gibt es Flächenkonkurrenzen durch Photovoltaik und andere Nutzungen. Ein weiteres Thema ist die Bio-Schiene. 

„Junge Bauern sind nicht mehr bereit, unter allen Bedingungen ihren Betrieb weiterzuführen."
 

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein (links), Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern e.V.

Politik und Öko-Kühe

Kraus: Wir wollen politisch gute Rahmenbedingungen für alle Betriebe. Wo liegen die Herausforderungen aus Ihrer Sicht bei der ökologischen Rinderhaltung?

Seufferlein: Das Streben der Ökoverbände nach Marktanteilen hat teilweise zu großen Abhängigkeiten von Discount-Ketten geführt. Hier werden Bio-Produkte ohne Markenlabel sehr preisgünstig angeboten. Junge Landwirte, die auf Bio umstellen, brauchen entsprechende Erlöse im Verkauf. Durch diese Rahmenbedingungen wird es schwer werden, das politisch formulierte 30 Prozent-Ziel zu erreichen.

Zierer: Die Weidepflicht wird ebenfalls Marktanteile kosten. In Oberbayern sind die Folgen überschaubar, aber in Gegenden wie Coburg wird man 20 Prozent der Betriebe verlieren, weil dort Weidehaltung schwer möglich ist. 

Seufferlein: Der Verbraucher erwartet Öko-Kühe auf der Weide. Die EU hat entsprechende Regelungen vorgeschrieben. Ökolo­gische Betriebe, die hier Umstellungen vornehmen müssen, brauchen entsprechende Preise für die Milch. Kaum ein Verbraucher ist aber bereit 1,50 Euro pro Liter Milch zu zahlen. Hier braucht es wohl politische Unterstützung. 

Jakob: Das führt zu Rückumstellungen oder gleich Betriebsaufgaben. Das kann nicht im Interesse Bayerns sein.

Bayerische Milch wird knapper

Seufferlein: Die bayerische Milch wird insgesamt knapper werden. Junge Bauern sind nicht mehr bereit, unter allen Bedingungen ihren Betrieb weiterzuführen. Der Kampf um den Rohstoff Milch wird zunehmen. Die bayerischen Bauern produzieren 7,8 Millionen Tonnen Milch, die bayerischen Molkereien verarbeiten 9,6 Millionen Tonnen. Das Fazit ist: Der Milchmarkt unterliegt in den nächsten Jahren anderen Voraussetzungen, steht aber auch vor anderen Herausforderungen.

Müller: Trotz relativ stabiler Milchpreise schließen jede Woche ein bis zwei Milchbauern in Bayern für immer ihre Hoftore. Das zerstört die bäuerliche Struktur. Das will auch die Bevölkerung nicht. Wir müssen die Rahmenbedingungen attraktiver gestalten. Dazu gehören zielgerichtete Förderungen, aber auch der Abbau ausufernder Bürokratie und überzogener Regelungen.

Groß: Die Molkereien haben die Anbindehaltung abgestraft, indem sie den Preis um zwei Cent pro Liter gesenkt haben. Jetzt kommt die Retourkutsche.

Seufferlein: Bei einzelnen Molkereien gibt es bis zu sechs Cent Preisunterschied zwischen Betrieben mit ganzjähriger Anbindehaltung und solchen mit Laufstall und Laufhof bzw. Laufstall. Dabei unterliegt diese Milch den gleichen Qualitätsvorgaben! Ein weiteres Problem ist die MKS, die Maul- und Klauenseuche. Die Ursache für den Ausbruch ist leider nach wie vor nicht identifiziert. Glücklicherweise sind wir mit einem blauen Auge davongekommen, aber der Vorfall in Brandenburg war auf jeden Fall ein Weckruf. Es ist jetzt wichtig, Versicherungen zu prüfen und auf Biosicherheit zu achten. 

Müller: Wir haben uns über unsere bayerischen Ministerien massiv in diese Thematik eingebracht. Handelsbeschränkungen führen zu Millionenschäden für unsere Tierhalter und deren Vermarktungsorganisationen und Molkereien. Hier müssen die Länder und der Bund eng zusammenarbeiten, um Restriktionen zu vermeiden. Weitere Tierseuchen bedrohen unsere Landwirtschaft.

Seufferlein: Die Blauzungenkrankheit besorgt mich am meisten. Bei Rindern liegt die Impfquote nur bei etwa 10 bis 15 Prozent. Die Folgen einer Erkrankung sind fatal: Kälber sind schwach, Rinder werden nicht mehr trächtig – und die Betriebe haben Probleme, nach einem Ausbruch wieder auf die Beine zu kommen. Deshalb müssen wir klären, wie wir die Impfquote in der Rinderhaltung erhöhen können.

Groß: Die Beibehaltung der Kombihaltung ist für die bayerischen Strukturen extrem wichtig. Ansonsten verlieren zirka 6.000 Betriebe ihre wirtschaftliche Grundlage.

Seufferlein: Die Pläne der Ampelregierung hätten dazu geführt. Umso wichtiger, dass auch hier jetzt ein Politikwechsel vollzogen wird. Beispiele aus anderen Ländern wie der Schweiz oder auch Österreich zeigen, dass es auch andere Wege gibt.

Landwirtschaft und Klima

Jakob: Die Klimabilanzierung ist ein weiterer wichtiger Bereich. Die Landwirtschaft muss hier als einziger Wirtschaftsbereich, der CO2 binden kann, als Problemlöser gesehen werden.

Seufferlein: Die Kreislaufwirtschaft zwischen Tierhaltung und Pflanzenbau hat hier große Vorteile. Insofern sind Klimabilanzen sinnvoll, aber die weitreichenden Dokumentationspflichten treiben die Bauern zunehmend auf die Barrikaden.

Müller: Es gibt privatwirtschaftlich bereits Initiativen, die Klimaleistung der Landwirte zu honorieren. Wir müssen hier klare Rahmenbedingungen schaffen, damit unsere Bauernfamilien für ihre Leistungen auch entlohnt werden können.

Seufferlein: Ein guter Ansatz, aber CO2-Zertifikate, die nicht dem Landwirt, sondern den Molkereien angerechnet werden, sind nicht akzeptabel. Das darf nicht in die falsche Richtung laufen.

Kraus: Wir brauchen praktikable Lösungen, um Strukturbrüche zu verhindern.

Groß: Investitionen in Tierhaltung sind sehr teuer. Hier müssen wir mit entsprechenden Angeboten unterstützen.

Seufferlein: Ja, vor allem familiengeführte Betriebe verschwinden zunehmend, weil sie die Kosten nicht stemmen können. Neben den Baukosten steigen auch alle anderen Kosten. In vielen Fällen sind technische Lösungen zu teuer für kleine Betriebe. Ein Rückgang um zehn Prozent bis 2035 ist deshalb realistisch. Bayern bleibt zwar Rinderland, aber die Wettbewerbsfähigkeit bleibt herausfordernd. 

Müller: Herr Seufferlein, wir bedanken uns für den guten und konstruktiven Austausch!

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