Nahaufnahme FÜNF FRAGEN AN … BERNHARD POHL UND ROLAND WEIGERT
FÜNF FRAGEN AN … BERNHARD POHL UND ROLAND WEIGERT

„Abhängigkeiten von den USA bei der Rüstungsbeschaffung kritisch überprüfen“

Bernhard Pohl und Roland Weigert stehen Rede und Antwort:

Bernhard Pohl ist Erster Stellvertretender Vorsitzender und verteidigungspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion.

1. Sie haben sich kurz nach der Bundestagswahl in einem gemeinsamen Brandbrief an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gewandt. Warum?

Pohl: Weil wir angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage dringenden Handlungsbedarf sehen. Das betrifft zum einen unsere Verteidigungsfähigkeit: Zwar ist allen klar, dass wir massiv in die eigene Verteidigung investieren müssen. Aber trotz des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro und der markigen Ankündigung einer ‚Zeitenwende‘ ist die Bundesrepublik in den letzten drei Jahren gegenüber dem Aggressor Russland noch stärker ins Hintertreffen geraten. Zum anderen muss die Bundesregierung aber auch ihren Umgang mit bisherigen Bündnispartnern überdenken.


2. Was meinen Sie damit?
Pohl: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass der amerikanische Präsident bereits in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit mit dem Gedanken spielt, das gemeinsame westliche Wertebündnis infrage zu stellen. Er macht gegenüber der Ukraine sehr deutlich, dass er sich Hilfe teuer bezahlen lässt und ordnet damit gemeinsame Sicherheitsinteressen von Nordamerika und Europa ökonomischen Belangen unter. Es steht zu befürchten, dass er auch die Beistandsgarantien in Artikel 5 des NATO-Vertrages zumindest anders interpretiert als alle seine Vorgänger. Daher müssen wir auf eine Situation vorbereitet sein, in der die USA eigene, im Extremfall sogar gegenläufige Interessen zu unserer Sicherheitsarchitektur vertreten.


Roland Weigert, ein Jahrzehnt lang Luftwaffenoffizier bei der Bundeswehr und Hauptmann der Reserve, ist Vorsitzender des Innenausschusses im Bayerischen Landtag.

3. Was schreiben Sie denn in dem Brief an Pistorius?
Weigert: Wir bitten den Minister darin, bestehende Abhängigkeiten von den USA bei der Rüstungsbeschaffung kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls auch Konsequenzen zu ziehen – bis hin zu einem kompletten Ausstieg aus der Beschaffung von amerikanischen Waffensystemen, selbst im Falle von Schadensersatzzahlungen.


4. Das klingt nach einer sehr drastischen Forderung …
Weigert: Das stimmt, aber die Sicherheit unseres Landes und der europäischen Staaten muss Vorrang haben. Gerade weil die Verlässlichkeit unserer transatlantischen Beziehungen durch US-Präsident Trump immer wieder infrage gestellt wird, müssen wir uns bei der Beschaffung von Rüstungsgütern unabhängiger machen. Dazu gehören auch gemeinsame Rüstungsprojekte: Besonders kritisch sehen wir die Beschaffung des Kampfflugzeugs F35 als Nachfolger des Tornados. Wenn wir nicht selbstständig und auch ohne Zustimmung der USA darüber entscheiden können, ob und wie wir dieses Waffensystem einsetzen, kann es im Ernstfall für uns wertlos sein. Es entsteht dadurch eine fatale Fähigkeitslücke, die wir aktuell noch durch den Tornado schließen können. Dies gilt allerdings nicht unbegrenzt.


5. Welche Lösung sehen Sie?
Weigert: Wir müssen uns zumindest beim Einsatz der Waffensysteme von anderen unabhängig machen und in Europa auf gemeinsame Systeme setzen. Das Future Combat Air System, das Deutschland gemeinsam mit Frankreich entwickeln und 2040 die Streitkräfte damit ausstatten will, sollte bestmöglich beschleunigt werden. Jedes Jahr, das wir gewinnen, ist hilfreich. Es mag sein, dass Donald Trump dann nicht mehr Präsident ist. Die Erfahrungen der letzten Monate haben aber gezeigt, dass wir hier eine offene Flanke haben. Es ist nicht gesagt, dass spätere Präsidenten die Dinge grundlegend anders sehen, zumal sich die USA auch schon unter Trumps Vorgängern immer stärker in den pazifischen Raum orientiert haben.


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