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Meinung

Friedenserhalt im Angesicht des Krieges

Über Jahrzehnte war der Umgang des Westens mit Putins Russland geprägt vom „Wandel durch Handel“. Doch seit dem russischen Überraschungsangriff auf die Ukraine hat sich der Westen vom ökonomischen Appeasement verabschiedet. Zwei Überzeugungen prägen seitdem die strategische Neubewertung Russlands. Erstens: Putin strebt ein neues großrussisches Reich jenseits der bestehenden Grenzen an. Und zweitens: Putin versteht nur die Sprache der Stärke.

Diesem neuen Russland-Verständnis zufolge wird Putin nicht ruhen, bis er die Ukraine in die Knie gezwungen hat, um danach Georgien, Moldau und eventuell sogar die baltischen Staaten und Polen anzugreifen – es sei denn, das Kalkül westlicher Abschreckung geht auf und Putin setzt seinen Großmachtphantasien ein Ende. Haben wir also gar keine andere Wahl, als uns für den Krieg zu rüsten?

Ein lateinisches Sprichwort jedenfalls besagt genau das: Wenn du den Frieden willst, dann bereite dich auf den Krieg vor. Dieser Logik folgend, setzen die Bundesrepublik, die EU und die NATO derzeit alles daran, in einer zunehmend instabilen Welt ihre eigene Verteidigung zu stärken – und auch wir FREIE WÄHLER im Bayerischen Landtag fordern mit Nachdruck, Deutschland schnellstmöglich in einen Zustand der Verteidigungsfähigkeit und -fertigkeit zu versetzen.

Wir müssen mehr tun – das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.“
 

Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender

Dass diese neue Sicherheitsstrategie weit mehr ist als nervöser Alarmismus oder hysterische Kriegstreiberei, mögen die folgenden Zahlen belegen: In den letzten zehn Jahren haben Moskau und Peking ihre Verteidigungshaushalte um fast 300 beziehungsweise 600 Prozent erhöht. Gleichzeitig haben die EU-Länder ihre Ausgaben für Verteidigung nur um 20 Prozent aufgestockt. Bis zum heutigen Tag haben nicht alle europäischen NATO-Verbündeten das Ziel von zwei Prozent des BIP erreicht.

Experten warnen, dass Russland nach dem Ende der Kämpfe in der Ukraine nur wenige Jahre benötigen könnte, um seine Streitkräfte wieder aufzubauen und einen Angriff auf EU und NATO-Gebiet zu starten. Gleichzeitig könnte der größte westliche Verbündete, die USA, in einen größeren Konflikt im Indopazifik hineingezogen werden. Denn das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Philippinen und China steigt – das wiederum könnte die USA als
Verbündete Manilas auf den Plan rufen. Auch der Konflikt zwischen China und Taiwan, das von der Volksrepublik als abtrünnige Provinz angesehen wird, könnte die USA zu militärischer Intervention zwingen.

Europa und Deutschland müssen ihre Sicherheit daher endlich selbst in die Hand nehmen sowie fähig und willens werden, sich und ihre Interessen zu verteidigen. Wir müssen mehr tun – das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Das heißt nicht, dass wir die transatlantischen Beziehungen mit den USA und die Zusammenarbeit im Rahmen der NATO infrage stellen. Aber echte Partnerschaft bedeutet geteilte Verantwortung, gemeinsame Anstrengungen und faire Lastenverteilung. Und es heißt auch nicht, dass wir den Krieg herbeireden. Aber wir können nicht länger am Spielfeldrand stehen und dabei zusehen, wie die Welt um uns herum weiter aufrüstet. Das Risiko für den nächsten Krieg in Europa steigt nicht durch Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit. Im Gegenteil: Durch glaubhafte Abschreckung lässt es sich reduzieren.

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